Hilfe für Flutopfer

„Der Wiederaufbau wird Jahre dauern“

Sarah-Lena Gombert
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Von Sarah-Lena Gombert
| 30.07.2021 20:26 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
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Stephan Offermanns und Thorsten Schmitz von der Firma Elektrotechnik Ell in Würselen reparieren Schaltkästen in Eschweiler. Foto: Gombert
Stephan Offermanns und Thorsten Schmitz von der Firma Elektrotechnik Ell in Würselen reparieren Schaltkästen in Eschweiler. Foto: Gombert
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Nach der Flutkatastrophe brauchen die Menschen in Stolberg und Eschweiler neben Geld und Hilfe vor allem eins: Handwerker. Ein Bericht aus der Region, für die GA-Leser spenden können.

Gemeinsam mit der Aachener Zeitung (AZ) sammelt diese Zeitung Spenden für die Betroffenen der Hochwasserkatastrophe in der Region Aachen. Dieser Text ist in der AZ erschienen und schildert die Lage vor Ort.

Aachen - Fenster, die schräg im Rahmen hängen und sich nicht mehr schließen lassen. Türen, die aufgequollen sind und sich auch nicht mehr schließen lassen: All das, was das Hochwasser der Inde zerstört hat, gilt es zu reparieren. Erst provisorisch, dann richtig. Schreinermeister Eduard Brammertz und sein rund 30-köpfiges Team aus Kornelimünster sind seit Tagen damit beschäftigt, den Menschen in Aachen, Eschweiler und Stolberg zu helfen, die langsam wieder in ihre Wohnungen zurückkehren möchten, um dort zu leben.

„Wir schauen aktuell, welche regulären Aufträge wir zurückstellen können“, sagt Brammertz. Die allermeisten Kundinnen und Kunden, die die Dienste des Schreiners in Anspruch nehmen, hätten durchaus Verständnis dafür. „Diese Katastrophe ist ja an niemandem vorbeigegangen.“

Der große Schock kommt oft erst noch

Die Schreiner haben unter anderem Notfallhilfe in der Propsteikirche in Kornelimünster geleistet, mittlerweile sind sie in vielen Wohnhäusern unterwegs. „Viele Menschen sind jetzt in Panik, wollen wissen, wie hoch der Schaden ist, um mit ihrer Versicherung Kontakt aufzunehmen“, berichtet Brammertz. Doch dafür sei es in vielen Fällen noch zu früh. Gerade beim Holz zeige sich erst nach der Trocknung, was wirklich kaputt sei. Und das ist noch nicht alles: „Für viele kommt der große Schock erst noch“, sagt der Handwerksmeister. Denn in Räumen, in denen das Wasser der Inde 30 bis 40 Zentimeter hoch stand, müsse im Grunde genommen alles herausgerissen werden. „Da reicht auch gründliches Putzen nicht. Das Wasser steht unter dem Fußboden, steht in den Wänden.“

Durch die Chemikalien, das Öl und den anderen Dreck, den das Wasser während der Flut mit sich führte, bestehe die erhöhte Gefahr einer Pilzbildung. „Das alles wird noch lange Zeit dauern“, meint Brammertz, auch im Hinblick auf den Materialmangel im Handwerk.

„Der Dreck sitzt überall“

Ein paar Kilometer weiter flussabwärts: Es ist immer noch feucht und dreckig in dem Keller eines Wohn- und Geschäftshauses in der Eschweiler Innenstadt. Kein Wunder: Das Wasser stand in diesem Untergeschoss bei etwa 1,50 Metern. Im Kellerflur pusten diverse Trocken- und Lüftungsgeräte laut vor sich hin. Und in einem kleinen Kellerraum stehen Thorsten Schmitz und Stephan Offermanns und sorgen dafür, dass die Wohnungen und Geschäftsräume in den oberen Etagen wieder mit Strom versorgt werden.

Mitarbeiter der Schreinerei Brammertz haben nach dem Hochwasser in der Propsteikirche in Kornelimünster Notfallhilfe geleistet. Mittlerweile sind sie vor allem in Privathäusern unterwegs. Foto: Schreinere Brammertz
Mitarbeiter der Schreinerei Brammertz haben nach dem Hochwasser in der Propsteikirche in Kornelimünster Notfallhilfe geleistet. Mittlerweile sind sie vor allem in Privathäusern unterwegs. Foto: Schreinere Brammertz
„Wir haben in der vergangenen Woche, direkt nachdem das Wasser rausgepumpt war, mit der Sichtung der Gebäude angefangen“, berichtet Thorsten Schmitz, Inhaber der Firma Elektrotechnik Ell in Würselen und Obermeister der Elektro-Innung. Seit Montag seien er und sein Team dabei, wieder für Strom zu sorgen. „Zunächst einmal mussten wir hier alles trockenlegen und saubermachen“, sagt Schmitz. Danach konnten die Schäden begutachtet werden. Allein in diesem Fall seien neun von 18 Sicherungen komplett im Eimer gewesen und müssten ausgetauscht werden. Auch den Rest müsse man früher oder später wohl ersetzen. „Der Dreck sitzt überall, das kriegt man auch nicht mehr ohne weiteres raus.“

Es gibt zu wenig Handwerker

Das Problem, oder viel mehr die Probleme: „Wir haben im Handwerk einfach einen Fachkräfte- und zurzeit auch einen Materialmangel“, sagt Thorsten Schmitz. Es gibt zu wenige Elektriker, die jetzt Hilfe leisten können. Schmitz und seine Kollegen schieben derzeit Zwölf-Stunden-Schichten.

Elektrotechnik Ell ist nur eines von vielen Beispielen, wie man sie gerade in Eschweiler finden kann. Fachleute gehen von Haus zu Haus, tun, was sie können, brauchen aber ihre Zeit dazu. „Natürlich ist unser Akku auch irgendwann leer. Aber was soll man machen?“ Die Versorgung mit Strom sei nun einmal eine Sache der Grundversorgung und kein Luxusgut. „Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass die Leute wieder anständig leben können.“ Dabei geht es nicht nur ums Kaffeekochen oder Handy aufladen. Ohne Strom im Haus funktioniert kein Bautrockner, keine Wasserpumpe.

Große Schäden in Stolberg

Während man in Eschweiler schon recht weit ist mit dem Wiederaufbau, sei die Lage in Stolberg noch deutlich angespannter. „Dort ist die Infrastruktur deutlich nachhaltiger beschädigt“, sagt Schmitz. Durch die zerstörten Straßen seien auch Hauptleitungen und Ortsnetztransformatoren in Mitleidenschaft gezogen worden. Auch wenn es noch etwas dauern sollte, ehe ein Elektriker sich um die Stromzufuhr in einem betroffenen Gebäude kümmert, bittet der Obermeister inständig darum, dass kein Laie sich an einen Sicherungskasten begeben sollte. „Die Gefahr eines Kurzschlusses, eines Brandes ist einfach zu groß“, warnt Schmitz.

Aufräumen nach dem Hochwasser in Stolberg. Hier wurde die Infrastruktur stark beschädigt. Foto: Becker/DPA
Aufräumen nach dem Hochwasser in Stolberg. Hier wurde die Infrastruktur stark beschädigt. Foto: Becker/DPA
Ob in Kornelimünster, Eschweiler oder Stolberg: Bei all den Herausforderungen, denen sich die Menschen jetzt stellen müssten, dürfe man nicht die Zuversicht verlieren, betont Eduard Brammertz. Kreativität und Zuversicht seien jetzt gefragt. „Wir Handwerker versuchen, den Menschen Hoffnung zu geben“, sagt er. „Das wird schon wieder, wir kriegen das hin!“

So können die GA-Leser helfen

Seit einer Woche läuft die Spendenaktion der Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO), zu der auch diese Zeitung gehört. Über das Hilfswerk „Ein Herz für Ostfriesland“, eine Tochter der ZGO, wird Geld für Menschen in Eschweiler und Stolberg gesammelt. Die Orte wurden besonders hart von der Flut getroffen.

Das Spendenkonto lautet: „Ein Herz für Ostfriesland gGmbH“, IBAN: DE19 2859 1654 0032 6518 00 bei Volksbank eG Westrhauderfehn. Gespendet werden kann auch hier direkt über Paypal. Jeder einzelne Spenden-Euro geht an die Flutopfer. Die Verwaltungskosten der „Ein Herz für Ostfriesland gGmbH“ werden komplett von der Zeitungsgruppe Ostfriesland getragen. Es gibt keinerlei Verrechnungen oder Abzüge.

Wer nicht möchte, dass sein Name in der Zeitung veröffentlicht wird, muss das bitte auf der Überweisung vermerken. Bis zu einer Spende von 199 Euro erkennt das Finanzamt den Einzahlungsbeleg an. Bei höheren Beträgen können Spendenquittungen ausgestellt werden. Nähere Informationen gibt es per E-Mail.

Weitere Infos zur Aktion gibt es hier.

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