Hannover/München/Hamburg (dpa)

Corona-Schäden: Rückversicherer drehen an der Preisschraube

| 19.10.2020 18:11 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 3 Minuten
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Pandemiebedingt mussten viele Restaurants, Hotels und andere Betriebe ihre Türen schließen - oft ein Versicherungsfall: Die Corona-Krise hat bei Versicherern Schäden in Milliardenhöhe verursacht. Anders sieht es in diesem Jahr bei den Kfz-Versicherern aus.

Die Corona-Krise kostet Erst- und Rückversicherer weltweit Milliardensummen.

Die tatsächliche Höhe der Belastungen ist zwar noch unklar, doch Branchengrößen wie Munich Re und Hannover Rück bereiten ihre Kunden auf deutlich höhere Preise für Rückversicherungsschutz vor. Auch viele Kunden von Erstversicherern müssen sich auf Erhöhungen einstellen.

Nach Schätzung von Hannover Rück hat die Pandemie in Deutschland versicherte Schäden von 1,25 bis 1,75 Milliarden Euro angerichtet. In der Summe seien praktisch alle Versicherungsbereiche außer der Lebens- und Krankenversicherung enthalten, sagte der Zentralbereichsleiter der Deutschlandsparte E+S Rück, Jonas Krotzek, am Montag in einer Videokonferenz. Der Großteil der Schäden dürfte mit 750 Millionen bis 1,25 Milliarden Euro auf die Betriebsschließungsversicherung entfallen. Dort hatte die pandemiebedingte Schließung von Restaurants, Hotels und anderen Betrieben teuer zu Buche geschlagen.

Normalerweise trifft sich die Rückversicherungsbranche mit ihren Kunden im Oktober in Baden-Baden, um die Konditionen für das folgende Jahr auszuloten. Wegen der Pandemie finden die Beratungen diesmal vorwiegend in Videokonferenzen statt.

„Neben den direkten Folgen der Pandemie lasten auch die abermals gesunkenen Zinsen auf den Ergebnissen der Versicherungsbranche“, sagte der Deutschlandchef der Hannover Rück, Michael Pickel. Preiserhöhungen seien unabdingbar.

Derweil treibt den Rückversicherer Munich Re der plötzliche Schub bei der Digitalisierung um. Nachdem sich die Arbeit bei vielen Firmen infolge der Pandemie ins Homeoffice verlagert habe, sei die Zahl von Cyber-Angriffen sprunghaft gestiegen, sagte Munich-Re-Vorstandsmitglied Doris Höpke. Zusammen mit einem höheren Risikobewusstsein der Unternehmer könnte dadurch der Markt für Versicherungen gegen Cyberrisiken noch schneller wachsen als erwartet - von geschätzten 7 Milliarden Dollar im laufenden Jahr auf mehr als 20 Milliarden Dollar (17,1 Mrd Euro).

Höpke zufolge können Versicherer ihre Risiken in der Cyberversicherung gut streuen. Damit würden Gefahren durch Computerattacken versicherbar. Dies gelte aber nicht für einen Extremfall wie den weltweiten Ausfall des Internets. Solche Schäden und ihre wirtschaftlichen Folgen könne die Branche nicht tragen.

Unterdessen stellt der Rückversicherungsmakler Aon einige Schätzungen zur Höhe der Corona-Schäden in der Branche deutlich in Zweifel. Er selbst halte die Summen von teilweise mehr als 100 Milliarden US-Dollar für zu hoch, sagte Aon-Deutschland-Chef Jan-Oliver Thofern. So hätten die großen Erst- und Rückversicherer weltweit bisher Schäden von etwa 26 bis 27 Milliarden Dollar verbucht. Und selbst mit 30 Milliarden Dollar wäre die Branche „noch ein großes Stück entfernt von den 100 Milliarden oder gar mehr“, sagte Thofern.

Die Munich Re will sich nicht mit einer Prognose aus dem Fenster lehnen. „Wir haben derzeit eine zweite Welle in Europa“, sagte Managerin Höpke mit Blick auf die zuletzt stark gestiegene Zahl der Neuinfektionen. Andere Experten liegen mit ihren bisherigen Schätzungen zu den coronabedingten Versicherungsschäden weit auseinander.

Ganz anders wirkte sich die Corona-Krise voraussichtlich bei den Kfz-Versicherern in Deutschland aus. Sie können nach Berechnungen der Hannover Rück 2020 mit einem Ausnahmegewinn von 2,2 Milliarden Euro rechnen. Schon im kommenden Jahr dürften der Straßenverkehr und die Schadenfälle aber wieder auf ein Normalmaß zurückkehren, sagte Andreas Kelb, der Leiter des deutschen Kfz-Geschäfts der Hannover Rück.

Zwar dürften viele Menschen wegen der Pandemie wohl auch noch 2021 verstärkt im Homeoffice arbeiten und dadurch weniger Auto fahren. Allerdings geht Kelb davon aus, dass andere das Auto umso öfter nutzen, um der Ansteckungsgefahr in Bussen und Bahnen zu entgehen. Zudem erwartet er eine Zunahme des Lieferverkehrs, da die Menschen verstärkt Waren im Online-Handel bestellten.

© dpa-infocom, dpa:201019-99-02744/2

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