Schnelle Hilfe bei Herzstillstand Hier gibt es im Oberledingerland Defibrillatoren und so benutzt man sie

| | 19.07.2023 19:07 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 8 Minuten
Artikel hören:
Hans-Joachim Reinke zeigt an Praktikantin Lea Erhardts, wie man mit dem Defibrillator umgeht. Foto: Hagewiesche
Hans-Joachim Reinke zeigt an Praktikantin Lea Erhardts, wie man mit dem Defibrillator umgeht. Foto: Hagewiesche
Artikel teilen:

Bei einem Herzstillstand zählt jede Sekunde – Defibrillatoren können Leben retten. Ein Überblick über die Standorte im Oberledingerland.

Rhauderfehn - Im Mai diesen Jahres ist ein 61-jähriger Mann in einer Sporthalle in Ramsloh beim Badminton plötzlich zusammengebrochen. Den Defibrillator fanden seine Sportkollegen nicht gleich, der Rettungsdienst kam erst spät. Der Mann verstarb trotz Erster Hilfe wenig später im Krankenhaus. Bei einem Herzstillstand zählt jede Sekunde. Wenn dann kein Defibrillator in der Nähe sei, könne es schnell zu spät sein, weiß Hans-Joachim Reinke. Er ist der Leiter der Rettungswache Rhauderfehn und erklärt, wie man bei einem Herzstillstand richtig vorzugehen hat. Außerdem gibt diese Zeitung einen Überblick über einige Standorte von Defibrillatoren im Oberledingerland.

Dort, wo die Klebestellen platziert sind, müssen sie auch im Ernstfall befestigt werden. Und zwar direkt auf der Haut. Foto: Hagewiesche
Dort, wo die Klebestellen platziert sind, müssen sie auch im Ernstfall befestigt werden. Und zwar direkt auf der Haut. Foto: Hagewiesche

Kammerflimmern – eine tödliche Herzrhythmusstörung, die durch Sauerstoffmangel unmittelbar zum Kreislaufstillstand und auch schnell zum Tod führen kann – ist laut Reinke eine der häufigsten Todesursachen in Deutschland. Jährlich würden mehr als 65.000 Menschen daran sterben – auch junge, fitte Menschen ab 30 Jahren seien davon nicht ausgenommen und die Tendenz steige. Bei ihnen könne eine zu hohe Belastung oder eine nicht entdeckte Herzmuskelentzündung schnell Kammerflimmern verursachen, so Reinke. Ein weiteres Problem, warum viele Menschen daran sterben: Kammerflimmern kann nur durch einen gezielten elektrischen Stromschlag gestoppt werden.

So kann man sich Kammerflimmern vorstellen

Doch was genau passiert beim Kammerflimmern? Der Leiter der Rettungswache veranschaulicht es an einem Beispiel: „Man stelle sich vor, man ist auf einem Ruderboot. Ein Trommler gibt den Takt vor, in dem die Mannschaft rudern muss. Eins, zwei, drei, eins, zwei drei. Dann kommt das Boot in einen Sturm, es ist laut, die Mannschaft hört den Trommler nicht mehr und jeder rudert, wie er meint. Das Boot beginnt zu kentern – der Herzmuskel ist aus dem Takt, es wird gefährlich“, erläutert Reinke sein Beispiel. Dann kommt der Defibrillator zum Einsatz: „Durch den Stromschlag ist Ruhe. Alle hören einmal auf zu rudern. Der Trommler kann wieder den Takt vorgeben: Eins, zwei, drei.“

Leider gehen solche Situationen nicht immer glimpflich aus. Viele würden an einem Herzstillstand sterben oder hätten danach Beeinträchtigungen. „Es klappt oft, Personen das Leben zu retten, aber nicht immer“, so der Leiter der Rettungswache. Die Chance auf ein Leben ohne Einschränkungen werde aber deutlich durch die Ersthelfer erhöht – vor allem, wenn sie einen Defibrillator zur Hand und auch keine Scheu hätten, diesen einzusetzen. Mittlerweile ist die Technik so vorangeschritten, dass Reinke jedem Menschen zutraut, selbst einen Defibrillator bei einem Notfall zu bedienen. „Das Gerät spricht mit einem und gibt genaue Anweisungen, was man wann und wie machen muss. Es testet, ob noch ein Herzschlag vorhanden ist oder nicht, und, ob eine Defibrillation empfohlen wird.“

Mittlerweile ist die Technik so vorangeschritten, dass Hans-Joachim Reinken jedem Menschen zutraut, selbst einen Defibrillator bei einem Notfall zu bedienen. Foto: Kneffel/dpa
Mittlerweile ist die Technik so vorangeschritten, dass Hans-Joachim Reinken jedem Menschen zutraut, selbst einen Defibrillator bei einem Notfall zu bedienen. Foto: Kneffel/dpa

Dinge, die man beim Defibrillieren beachten muss

Auf ein paar Dinge sollte man aber trotzdem achten: „Die Person, die defibrilliert werden muss, sollte nicht auf Metall oder im Wasser liegen. Denn die Materialien leiten Strom und das wäre dann nicht ganz ungefährlich“, warnt Reinke. Auch sollte man die Person, während des Stromschlages nicht anfassen, direkt danach sollte mit der Herzdruckmassage weitergemacht werden. Gerdes empfehle auch sich nicht auf die Suche nach einem Defibrillator zu machen, wenn keiner in unmittelbarer Nähe ist. „Das ist die Erste Hilfe wichtiger und in der Zeit, wo man einen Defibrillator von weiter weg holt, ist der Rettungsdienst meistens schon da“, so der Gemeindebrandmeister.

Reinke habe ebenfalls die Erfahrung gemacht, dass die meisten Menschen ein Kammerflimmer überleben, wenn die Ersthelfer auch ohne einen Defibrillator direkt angefangen haben, den Betroffenen zu reanimieren. Denn sonst pumpt das Herz kein Blut mehr durch den Kreislauf und der Körper wird nicht mehr mit Sauerstoff versorgt. „Man kann keine Fehler machen, außer nichts zu tun. Der Sauerstoffmangel im Gehirn führt nach fünf Minuten zu nicht rückgängig zu machenden Hirnschädigungen, im schlimmsten Fall zum Tod“, so Reinke. Deshalb sei gerade eine Herzdruckmassage wichtig, um die Zeit zu überbrücken, bis die Rettungskräfte mit einem Defibrillator eintreffen. „Wenn keine Erste Hilfe geleistet wird und wir die Person durch das Defibrillieren zurückbekommen, kann das manchmal eine Belastung sein“, gibt Reinke ehrlich zu. Denn, je länger die Sauerstoffversorgung des Gehirns nicht stattfindet, desto höher sei die Wahrscheinlichkeit, dass die Person als schwerer Pflegefall ende.

Der Leiter der Rettungswache Rhauderfehn, Hans-Joachim Reinke, veranschaulicht seine Erklärungen. Foto: Hagewiesche
Der Leiter der Rettungswache Rhauderfehn, Hans-Joachim Reinke, veranschaulicht seine Erklärungen. Foto: Hagewiesche

Ersthelfer retten Leben

Wie erfolgreich schnelles Eingreifen sein kann, zeige auch ein Vorfall in Collinghorst: Ein Mann sei vor ein paar Jahren am Kreisel in Collinghorst auf dem Fahrrad umgekippt, weil er Kammerflimmern gehabt hatte. Zum Glück sei Oskar Gerdes, der Gemeindebrandmeister in Rhauderfehn, vor Ort gewesen und habe direkt angefangen den Mann zu reanimieren. „Ich war früher Rettungssanitäter in Papenburg und wusste, was zu tun ist. Ein junger Mann von der Bundeswehr hatte mich bei der Ersten Hilfe unterstützt“, sagt Oskar Gerdes dieser Zeitung. So konnte die Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes überbrückt werden. Gerdes und der junge Mann haben mit einer Herzdruckmassage einen Notkreislauf hergestellt. „Wir haben quasi von außen durch den Druck das gemacht, was das Herz normalerweise von alleine macht und den Sinusrhythmus simuliert, damit das Herz weiter Blut durch den Körper pumpt“, so Gerdes. Ein paar Minuten später war schon Reinke mit dem Rettungsdienst vor Ort. „Wir haben übernommen und den Mann beatmet, einen Zugang gelegt und ihn defibrilliert. Mit Erfolg. Im Krankenhaus stellte sich heraus, dass er einen Herzinfarkt hatte. Nach einem Aufenthalt auf der Intensivstation ist der Mann wieder komplett genesen. Durch das Eingreifen von Gerdes hat er noch viel Lebenszeit geschenkt bekommen und ist wieder genauso fit wie vorher“, so Reinke. Auch Gerdes sei froh, dass der Mann den Vorfall überstanden hat.

Der Leiter der Rhauderfehner Rettungswache würde es sinnvoll finden, wenn es gerade in den ländlichen Regionen – wie dem Oberledingerland – mehr öffentliche Punkte geben würde, wo Defibrillatoren aufgestellt werden. Vor allem da es hier weniger Rettungswagen gebe, als in großen Städten. Wenn zum Beispiel die zwei Wagen der Rhauderfehner Wache im Einsatz sind, müssen Rettungskräfte von außerhalb den Einsatz im Oberledingerland übernehmen. Die Rettungskräfte aus Barßel, Papenburg oder Leer brauchen natürlich länger bis zum Einsatzort. Das kann gerade bei sehr ernsten Fällen, wo zum Beispiel eine Reanimation nötig sei, sehr kritisch werden. „Deshalb sollte man den Ausbau der Standorte weiter vorantreiben. Gerade an den Knotenpunkten würde ich das sinnvoll finden. Im Endeffekt kann jeder davon profitieren“, so Reinke. Auch überall dort, wo Sport getrieben werde, sei es super, wenn immer ein Defibrillator zur Hand ist. Auch Oskar Gerdes finde, dass vor allem in öffentlichen Einrichtungen wie Kirchen, Supermärkten oder Sportplätzen mehr Defibrillatoren geben müsse. Denn: Es zähle jede Sekunde.

Diese Zeitung hat ein paar Standorte von Defibrillatoren herausgesucht:

In Rhauderfehn: Am Albrecht-Weinberg-Gymnasium (Werftstraße 2) befindet sich ein Defibrillator in der Eingangshalle und ist während der Öffnungszeiten der Schule zugänglich. Ebenfalls befinden sich Defibrillatoren in der Hoffnungskirche und im Gemeindehaus (Untenende 3; während der Öffnungszeiten), im Rathaus (1. Südwieke 2a, während der Öffnungszeiten) und in der Halle des Vereins TuRa Rhauderfehn (Werftstraße 4, während der Öffnungszeiten).

In Ostrhauderfehn: Im Rathaus (Hauptstraße 117, während der Öffnungszeiten). und im Vereins- und Gemeindezentrum (Kirchstraße 221, während der Öffnungszeiten). In der Turnhalle der Grundschule Ostrhauderfehn (Middendorfstraße 11) kann während der Öffnungszeiten der Schule und des Vereinssports ein Defibrillator genutzt werden. In der Turnhalle der Grundschule Holtermoor (Schulstraße 39) ist ebenfalls zu den Öffnungszeiten der Schule und des Vereinssports ein Defibrillator zu ereichen. Beim TSV Ostrhauderfehn ehemals TSV Germania Holterfehn (Holterfehner Straße 49), beim ehemaligen SV Eiche Ostrhauderfehn (1. Südwieke 120) und bei dem ehemals TSV Idafehn (Utender Damm 4) ist jeweils ein Gerät während des Sportbetriebs verfügbar. Außerdem in der Turnhalle des Bildungszentrums Potshausen (Potshausener Straße 2) während des Vereinbetriebes.

In Westoverledingen: Im Rathaus in Ihrhove (Bahnhofstraße 18) während der Öffnungszeiten. In der Volksbank Ihrhove (Großwolderstraße 18) steht ebefalls ein Defibrillator während der Öffnungszeiten der Bank zur Verfügung. Am Feuerwehrhaus Esklum (Esklumer Straße 9) und am Feuerwehrhaus Folmhusen (Kleenweg 3) sind die Defibrillatoren jederzeit von außen zugänglich. In der Turnhalle der Schule am Patersweg (Patersweg-Nord 17) während der Öffnungszeiten der Schule und des Sportbetriebs. In der Raiffeisenbank Flachsmeer (Pastor-Kersten-Straße 1) kann während der Öffnungszeiten der Bank das Gerät benutzt werden. Im Eingangsbereich der Raiffeisenbank Völlenerfehn (Hauptstraße 101) befindet sich ebenfalls während der Öffnungszeiten der Bank ein Defibrillator und vor dem Haupteingang der Grundschule Völlen (Seeadlerstraße 17) ist der Defibrillator jederzeit von außen zugänglich.

Ähnliche Artikel